veröffentlicht am 01.06.2016 unter http://drogenschulen.blogspot.de/2016/06/abrechnung-mit-dem-alkohol.html
Letzte Überarbeitung: 24.12.2016


Abrechnung mit dem Alkohol
(zynisch-zornig)

Jaja, der Alkohol, in christlicher Auffassung eine Möglichkeit zur Gottbegegnung, Teil eines Teils eines Sakraments - womöglich über Jahrhunderte hinweg der herausragende? Lustige Stunden vermag er zu spenden - bis der Körper meldet, was ihm angetan ist. Pochender Schädel, überbordene Übelkeit, nervöse Peristaltik, versiffter Atem, Rebellion. Der Körper stößt nach Kräften aus, was ihm giftig ist. Und die Wissenschaft muss bestätigen: Ethanol ist zellschädigend, greift das Nervensystem an, belastet die Leber bis zur Untauglichkeit, begünstigt fetale Degenerationen und kann nicht nur überdosiert den Tod bedeuten sondern im Delirium tremens auch unterdosiert. 74.000 Todesfälle und rund 10 Liter Pro-Kopf-Verbrauch des reinen Stoffes im Jahr - Abstinente inklusive -  sprechen für sich. Wenn es denn um Gesundheit geht in der Drogenpolitik, wer wagt es, den Alkoholrausch zu verteidigen? Sage man nicht, dass etwa allenthalben erhältliche Spirituosen einen signifikant anderen Zweck hätten.

Aber Alkohol kann noch mehr. Der viel gerühmte Jugendschutz... Während andere Drogen dem Erwachsenen verboten sein sollen, um die Jugend zu schützen, um selbst in verlässlicher Abgeschiedenheit kein schlechtes Vorbild darzustellen, darf der Alkohol vor aller Augen seine Effekte demonstrieren. Ausgelassen wird angestoßen, sich blöde benommen, die Ruhe gestört, gelallt und getorkelt, der Alkohol als tradierter Treibstoff fader Feiern, frenetischer Fans, forschen Frühschoppens, frustranen Versackens. Und in so manchem Haushalt, wenn das überspannte Familienoberhaupt einkehrt, da dürfen Frau und Kind sein angestacheltes Geltungsbedürfnis vernehmen. Teil des Jugendschutzes ist eben die gute, alte Erziehung über lautstarke Einschüchterung - und wenn das Balg nicht spurt, dann sind auch feste Handgreiflichkeiten angezeigt. Dem Nachwuchs wird eine starke Persönlichkeit herangezogen, wie beim jungen Adolf, der immerzu verprügelt wurde, bis er eines Tages alles stumm eingesteckt hat, nur die Schläge laut zählend - so die Legende des seinerzeit sakrosankten Fanatikers. Kann es anders gemeint sein, wenn der Schutz der Jugend als Argument für das Verbot von Alternativen herhält? Schließlich entfesseln vermutlich alle illegalen Drogen diese affektiv-aggressive Umnachtung weniger bis gar nicht.

Aber der Gesellschaft tut es wenigstens gut, wenn gebechert wird, das ist lange bekannt, Saufen verbindet. Schon im Mittelalter durfte der civitati Dei Chosen One mächtige Meuten zu läutern geholfen haben, wenn indoktrinierte Schaulustige nach spektakulärer Hinrichtung die Wirtshäuser aufsuchten. In feuchter Runde und besten Gewissens wird mal wieder räsoniert über die abscheuliche Schuld des peinlich Verhörten, über die latenten Hinweise in seiner sündigen Existenz, über die unheimlichen Signale des bezwungenen Teufels, über die hehre Haltung des klerikalen MC. - Ließe sich noch die verderbliche Wirkung bei der Missionierung fremder Kulturen aufführen, aber das darf man nicht so eng sehen. Verderblich war es nur für die Anstämmigen, nicht für die Eroberer. Das ganze Abendland hat profitiert, bis heute. Ja und heute? Die Glasscherben, das Urinbukett, die Speifladen und Ausnüchternden im öffentlichen Raum mal außen vor: Da gibt es also all die Erscheinungen, die sich sorgenvoll in die Obdachlosigkeit getrunken haben. Da gibt es die fahrlässig herbeigeführten Tötungen im Straßenverkehr, unter allen etwa jede siebte in Trunkenheit, da gibt es massig Übergriffe wie Vergewaltigungen, in denen Alkohol als conditio sine qua non fungiert - aber wie es der elitäre Täterschutz nach § 323a StGB, die Strafminderung wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit, den Opfern und Angehörigen erklärt, ist das im Ergebnis nicht so schlimm. Und was sagen die Verantwortlichen, warum jeder Rausch einer sein muss, der im großen Ganzen die Wahrscheinlichkeit zu fremdem Leid beachtlich hebt? Man müsse doch die Gesellschaft schützen.

Harter Tobak soweit? Als wenn das schon alles wäre! Vielleicht sieht der eine oder andere noch den braunen Schneid durch die Straßen pöbeln, die offene Vorhut des unausmistbaren Modders im deutschen Erbe. Welche fanatische Kraft hätte die faschistische Psychose entwickelt ohne gemeinschaftliche Singsaufgelage, wie weit wäre die verschworene Diktatur ohne diesen abstumpfenden Kitt gekommen? Wie erfolgreich wäre der Holocaust gewesen, wie diensteifrig das Personal der Einsatzgruppen, in Konzentrations- und Vernichtungslagern, hätte es nicht ihre Macht und Taten ständig schön und stolz gesoffen, die Eindrücke des Tages betäubt und weggespült? Nicht alle Beteiligten fühlten sich von sich aus wohl in ihrer Haut, bei ihrer auferlegten Pflicht. Alkohol hat manche Willfährigkeit erhalten, Alkohol hat manchen Exzess gebilligt.

Fazit: Wer beim Essen von Fleisch sich des Tötens bewusst ist, der kann es auch beim Trinken von Alkohol sein. Andere Drogen zu konsumieren ist eine Antwort des Anstands. Rausch ist akzeptiert, der Rest Geschmack. Alles andere ist asoziale Ausgrenzung.

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