Veröffentlicht am 21.03.2024 unter https://drogen-balance.blogspot.com/2024/03/Hanfpolitik.html
Letzte Überarbeitung: 20.04.2024



Hanfpolitik up to day
(weitschweifig, zielstrebig)



Auffallend dunkel ist es um die Geschichte von Hanfblüten bestellt, und ausgesprochen selten sind Zeugnisse ihres Gebrauchs wie solche zwei lebensgroßen Statuen “executed with surprising anatomical accuracy and skill”, bei denen “one is occupied in preparing the intoxicating drug called ganja, or bhang, and the other seems absorbed in meditation”[1]. In den Tiefen der Verheerungen unerbittlicher Prohibitionserfolge nach Licht zu graben, finden sich noch die besten Indizien, wo ambivalenter Nutzen künstlerische Finessen beträchtigt haben könnte, sonderlich in Pflege und Einsatz von Sorten, deren Konsum dahin führe, dass “Sinne anfangen, eine ganz besondere Schärfe und Feinheit zu zeigen”[2]-240. Am vielversprechendsten gelingen Suchen im Habitat des Hanfs in kulturellem Zentrum, und was dort zu Ehre und Achtung der Kunst im authentischen Ton schon lange verflogen ist, mag im Bild durchgedrungen sein. Gäbe es auch nichts, was ohne magische Zuführung undenkbar wäre, ist sie initial doch um so plausibler in herausragenden Intensitäten, im Spiel mit Perspektive und Objekten, in Albernheiten. Treffende Hinweise bieten Juran’s Werke(1)(2), und auch andere sichtbare(1)(2) weisen ins Vermuten, dass Psychodelika für Kunst in China, vielleicht nur geheim gebraucht, aber nicht grundsätzlich verfehmt waren. Um 1200 macht Ma Yuan, Familienname voran, auf sich aufmerksam(1)(2)(2a), als ‘Ma’ für Pflanzen noch exklusiv Hanf meinte, zu einer Zeit politischer Manöver. Dschingis Khan bricht auf, etwa 1215 nach Jurchen-Peking, um Dinge zu regeln, sein Enkel führt später Thron und Sitte über Han-China. Mongolische Hoheit, sehr kunstfreundlich(1)(2), sieht mit dem Einzug der Ming-Ära nach, deren frühes besonderes Anliegen ein ordentliches Aufreihen literarischer Bestände war, die "über 300 Meter Regallänge" bedurften. Was in der Yongle Dadian von Hanf gesprochen wurde, ist soweit nicht überschaubar. 1557 beinahe durch Feuer zerstört, ließ Voraussicht eine Kopie fertigen, die reges Interesse besonders im 19. Jahrhundert und ein dringenderes früheres auf einen schmalen Bruchteil dezimierten, und das Original verschwinden. Zur Blüte der Ming kondensiert sich Malerei auf einem meisterlichen Niveau, das das Herz erfreut(1, von rechts an) und den Geist mitreißt(1), der Seele Ruhe gönnt(1)(2), mit Aufmerksamkeit und Fleiß anregt(1) und Botschaften transportiert(1), ohne vom Wert etwaiger Zuführungen künstlerische Schönheit und Aussage dominieren zu lassen. Letzte Jahrzehnte der Ming stehen im Ruf, “sehr frei”[3] zu gestalten, ein unabhängiger zaubernaher Maler verschwindet oder doch nicht. Die Mandschus, niemand anderes als die Jurchen, ergreifen schließlich die ganze Macht und richten sippweit unbarmherzig. Drogenpolitisch hat die neue Qing-Ära Fragmente aufzuweisen: Das Rauchen werde verboten, von “Cannabis sativa gigantea" ist die Rede, “20 Fuß hoch"[4], rauschgebraucht, "Frauen ersten Ranges .. bearbeiten .. Hanf"[5]-205(1), Ma Fen (Fuen, Fan) meine wohl Blüten oder Harz, nach "Legge .. spinach" ("I cannot understand why"[5]-206), Samen aus China werden in Frankreich "empfohlen"[6]. Hanf-Hibiskus fasse Fuß als "foreign hemp", erst zur Kulturrevolution umbenannt in "red hemp". Schnupftabak stehe im Trend, wovon unzählige Snuff Bottle zeugten, die zu Destillation kaum in Frage stünden. Opium schaffte es "1773"[7]-242 vor allem auf Wunsch von “foreigners”[7]-243 in chinesische Bahnen, ein herrschaftliches Ärgernis, dem Verbote, wohl auch "Todesstrafe"[2]-239, nicht beikämen ("was not found sufficient"[7]-242). In der Kunst halten mit inkulturierenden Jesuiten, auf portugiesischem Posten seit Mitte des 16. Jahrhunderts im Land, westliche Sichtweisen Einzug, Jiao Bingzhen trinkt von christlichen Einflüssen, mehr noch Castiglione-Schüler Ding Guanpeng(1). Während Qing in einem Großprojekt mit der Ming zensorisch abrechnet, macht Hanf in Europa von sich reden...



Johann Gottlieb Georgi, 1729-1802, war Landeskundler mit Schwerpunkt auf dem expansiven russischen Reich. Von seiner mehrjährigen eurasischen Expedition weiss er als früher Zeuge das Offenbare anzudeuten, "weibliche Hanfblumen"[8] sind psychotrop. 1785/6 gibt er exklusiv auf Deutsch ähnliche Beschreibungen seines schwedischen Kollegen Johann Peter Falk heraus, dessen Leben 1774, im letzten gemeinsamen Reisejahr, abrupt endete. Nach schweren nervlichen Belastungen wird er erschossen aufgefunden. Der Nachwelt sind in seinem Namen nicht nur ein Rezept für "Fröhligkeitspillen .., die zur Erweckung der Lustigkeit nach Absicht und Umständen in verschiedener Zahl verschlungen werden" und der Ausdruck "die weiblichen Blumensträuße" unverhohlen überliefert, sondern er berichtet auch von einem Hanf "häuffig mit getheilten Stängeln", nachteilig für Faserernte, den er "an der Wolga .. vorzüglich auf den Plätzen ehemaliger Städte"[9] vorfand. Ehemalige Städte? In die Zeitumstände gehörten wolgadeutsche Ansiedlungen 1763-67, eine Wolga-Reise von Katharina 2. 1767 und eine notgedrungene Abwanderung von Kalmücken im Winter 1770/1 bzw. die Opportunitätslegende eines chinesisch betriebenen Genozids Ende der 1750er Jahre etwa in deren Destinationsgebiet. Vielmehr, lese sich 'wilder Hanf', wie er z.B. "in Ostindien und dem mittägigen Rußland"[10] vorkäme, ggf. auch als Chiffre für menschheitliche "Reorganisation" des betreffenden Landstrichs? Während Georgi weiter in der Lüge schaltet - den Rausch machten "die blühenden Gipfel des männlichen oder güsten(?) Hanfs"[11]-1347f -, nennt er ihn u.a. "einheimisch oder selbstwachsend in Taurien im Gebirge, am Terek, in Neu-Rußland, am Don, am Dnepr, an der ganzen Wolga, im Ural, an der Ufa"[11]-1344. Neu-Rußland ist etwa das Konfliktgebiet gegenwärtiger Auseinandersetzung - ein Hinweis auf die Vergangenheit? Zu den zeitlichen Umständen gehörten ein von dort aus betriebener abgebrühter Sklavenhandel, seit Generationen gespeist durch Raubzüge bis in weit entfernte Adler-Monarchie-Regionen, ein russisch-türkischer Krieg 1736-39, der Vertrag von Belgrad 1739, territorisierende Serben 1752-64, bis 1764 eine "heavily fortified defensive line" quer durch die heutige Ukraine, mit selbem Jahr die Gründung Neu-Rußlands mit anschließendem Ausländer-Einsatz im Feld, Serben, Deutsche, Griechen, ein russisch-türkischer Krieg 1768-74, die russische Übernahme der Krim-Zentrale 1775, eine Reorganisation der Halbinsel bis 1783 und ab 1784, eine Taurische Reise der Zarin 1787, der Täusch-Hinweis Potemkinsche Dörfer neben der Zuschreibung seines Urhebers "Potemkin .. mit seiner gewöhnlichen Verachtung der Menschenleben"[12], ein russisch-österreichischer Türkenkrieg 1787-92 und 1795 ein brisanter Skandal um ein kassiertes "Literaturstück", eventuell aus der Feder von Potemkin-Nachfolger Platon Subow. Oder ging es hinter der Fassade 1769 endenden Menschenraubs für die Heilsgeschichte, mitunter die Angleichung aller Völkerschaften zu kollektiver Prohibition, worin sich vermeintliche Konfliktparteien tatsächlich als Partner wiederfänden, um die Ausschaltung hanf-affiner Kultur? Wenn immer die nützliche Pflanze als Rauschmittel entdeckt und geschätzt wurde, kamen Dissidenten zur Verbannung Richtung Krim, "Schmelztiegel der Kulturen". Fast schon human, bis zu gewisser Zeit...



Das 19. Jahrhundert widmete sich Ma-High publikativ, weiter prohibitiv. Von Hanf kommen Berichte überein, sein Gebrauch wäre in ganz Asien verbreitet, nicht gerade Faser oder Saat wegen, und wie schon bei Falk stehen reihenweise Namen für das Gewächs Pate. Ist es ein Raunen in der Prohibitionsgeschichte, als es 1845 von Menschen in Benares (Varanasi), dem "Jerusalem or Mecca of the Hindoo"[13]-136, heisst, sie "stürzen sich mit drei großen, um den Körper befestigten Wasserkrügen in den Strom, aus dem sie oft nicht wieder auftauchen"[14]? Die 1850er Jahre sind in Indien brenzlige, Widerstand in der Gesellschaft, begünstigt vom eigenen Militär und vor Anschuldigungen, finanzielle Forderungen würden mit Folter abgepresst, drückt die Ostindien-Kompagnie in die Knie, die Zeit der Kronkolonie beginnt. Von Varanasi wüssten "missionary tracts" um eine Gemeinsamkeit sich einfallsreich quälender """performers""" zu berichten that they "used generally .. the Cannabis"[13]-143. Angriffe gegen kulturelles Selbstverständnis? Faktisch, propagandistisch? Im Land bengalischer Festefeuer, wo Erkenntnisse und ihre Ordnung gründlich herausgearbeitet wurden, wo Meditation hohes Ansehen genießt und verfügt, deren Tiefe THC was DMT für Gotteshöhe bedeuten mag - individuell nicht nötig aber insgesamt -, ließ sich Hanf, fern von westlichen Unheilsvisionen, selbstverständlich "Ananda (zum Lachen reizend)"[15]-183 nennen. Eminenter Vertreter hindischer Kultur und arger Widersacher der fordernden Fremden war Bharatendu Harishchandra, Sohn eines Poeten, dessen Stammbaum auf Grundbesitz wurzelt. 1850 in Varanasi geboren und eben dort 1885 verstorben, scheinen Leben, Tod und Werk des volksnahen Dichters und Bühnenautors bis dato international unerschlossen. Wie stand er wohl zu Hanf, zu Bhang, Ganja, Charas (Blätter, Blüten, Harz)? Neben erklecklichen regionalen Erfolgen gegen Cannabis 1881 - "we have succeeded in almost stamping out ganja, although the plant from which it is made grows wild in Burma"[16] -, ohne Hinweis auf Methoden, zeichnet sich die tragische (un)heilsgeschichtliche Politik in großer Linie ab: Booste den Opiumhandel (lindere auch keinen Leidensdruck), vereine ihn mit der Landesdroge in gemeinsamen Shops, propagiere sie gleichartig negativ und schnüre ihren legalen Gebrauch gemeinsam ab. Ende des 19. Jahrhunderts entstehen juristische Tatsachen in Indien, im nächsten gleiten die Zügel von Prohibition und Propaganda nach Nordamerika. Welcher ihrer Anhänger heute hätte seinerzeit dem seriösen Schein des Sprechers widerstanden, der so eindringlich warnte, "experts point out", "Marijuana smoking .. can make a helpless addict of its victim within weeks, causing physical and moral ruin, and death"[17]? Wahnwitzige Meldungen über cannabisinduzierte Unzurechnungsfähigkeit wirken hinein in Harry Anslingers Lebenswerk, dem weltweiten Bann unheimlich mystischer Substanzen. Dass der folgende totale war on drugs auf gesetzlicher Grundlage stattfindet, ist rücksichtlich seiner Geschichte fast schon human, bis zu gewisser Zeit...



Bis in die Gegenwart gärt prohibitionistisch-alarmistisches Erbe fort. Warnungen etwa über erheblich gestiegene THC-Gehalte kursieren seit Jahren, der Hippies Bekifftheit marginalisierend, so ohne Anflug von Einsicht, gelebtes Unrecht anzuerkennen oder zu verantworten. Auch Psychose extremster Art, eine Verschaltung der Persönlichkeit nur negativen Sinns, umwabert Hanfsympathisierende, die bewusste Abschätzung zu einer Hyperpsychose harrt ihrer Findung, wahngemäß teilweis'. Schwingt Kapitän der Prohibition, Prof. Dr. Rainer Thomasius, mit seinem freshen Statement "Frontalhirn", "38 %" das Fanal zur Selbstpsychotisierung? Blieb es unerhört, weil weit mehr hinter Mahnungen aller Lager steckt als öffentlich präsent ist? Mag es ihr verschworener Usus sein, der Prävention zu Diensten ausgeklügelt tätig zu werden, etwa gegen womöglich cannabisinduzierte Wahnsinnstaten(1)(2), etwa zivilisiert orientiert am Niveau alter Zeiten, als "überführten Hanfconsumenten .. die Zähne ausgerissen"[15]-184 worden wären, um vermeintliche Gefahren allmählich oder abrupt zu entschärfen? "Das Böse erkennen wir .., .. wenn wir es .. als eine Verlockung erkennen, zu der man sich in einem ganz kleinen augenschließenden Moment hin überwinden muss."[18] Doch diente solches Vorbeugen, wenn es kritischere, eigentlich Sanftmütige und Gerechtigkeitsbeliebende trifft, nicht schließlich dem der Apokalypse wie ihrem Gefallen an Komplizen im Gericht? Möchte Opfer salisfaktionieren, doch auch lösungsfähige Mittler herzugeben? Nach den Fontes moralitatis verkürze sich verfehlte Absicht auf erreichte Wirkung, glücklicher passive Täter, bloß Faktum Jüngsten Tages dienend.



Dass Drogen das Realitätsverständnis herausfordern, ist wohl kaum von der Hand zu weisen, und in einer Gesellschaft, deren betont abstinente Teile in nicht geringem Maß dahin steuern, Gefahren von Cannabis krass zu überzeichnen und Geschichte seines Gebrauchs eklatant zu unterschätzen, kann kein Rat linde vernünftig sein, der für ihre Verwendung gerade ein Mindestalter festlegt. Auch zur Rücksicht Überforderungen Einzelner, die sich aus gruppendynamischen oder indiskreten Trends ergäben, wäre Ordnung Ruhe gedeihter in hohen Gleichgewichts-Anforderungen, dessen Praktizieren nicht nur cusanisches Credo von Einheit in Vielfalt verkörperte und erinnerte, wie es dasselbe ewige Ziel auf zahllosen Wegen begeht, sondern die auch realitätsorientiert psychose-präventiv wirken, indem gute Wahrnehmungs- und Steuerungsgründlichkeit Wahrnehmungsverschiebung und mangelnde Motorik kontern. Und ergäbe sich in Sachen Hanf die Eintracht, ein milder Umgang mit wirkstoffbestimmter Ware etwas ab von Gingi Lacki Lacki stünde Erwachsenen nach eigenem Gutdünken zu, eine Vertiefung aber in das Gewächs verpflichte als Hausmarke eingrenzender Möglichkeiten Balancevermögen, so dürfte zur Freude von zwitschernden und singenden Vögeln bedenkenlos kommuniziert und praktiziert werden, "hemp .. is a very fine and graceful plant", "mingled with the maize and other cultivated plants, gives an air of surpassing richness to the landscape"[19].



Fußnoten
[1]: 12.1822, The Asiatic Journal and Monthly Register for British India and its Dependencies, S. 584
[2]: 6.4.1867, Illustrirte Zeitung
[3]: Übers. v. chin. Wanli Era
[4]: 1832, Martius, Grundriss der Pharmakognosie des Pflanzenreiches, S. 263
[5]: 1893, Journal of the China Branch of the Royal Asiatic Society, New Series Vol. XXV (S. 205 französisch: "femmes du premier rang .. transforment .. le chanvre") - selbe Angaben 1892
[6]: 1788, Murray, Arzneyvorrath, Bd. 4, S. 650
[7]: 1889, The Friend of China, "Organ .. for the suppression of .. Opium", Vol. 11
[8]: 1776, Georgi, Beschreibung aller Nationen des Rußischen Reichs, 2. Ausgabe, Tatarische Nationen, S. 152
[9]: 1786, Falk, Beyträge zur Topographischen Kenntniß des Rußischen Reichs, Bd. 2, S. 265
[10]: Spielmann, Anleitung zur Kenntniß der Arzneymittel, S. 553
[11]: 1800, Georgi, Geographisch-physikalische und Naturhistorische Beschreibung des Rußischen Reichs, 3. Teil, 5. Band
[12]: 1798, Minerva - Ein Journal historischen und politischen Inhalts, 2. Band, S. 299
[13]: 1858, Minturn, From New York to Delhi - in alternativem Druck S. 123, 130
[14]: 1845, Jahrbücher der Literatur, Bd. 112, S. 106
[15]: 20.4.1886, Österreichische Zeitschrift für Pharmacie
[16]: Charles Aitchison in: 1892, The Friend of China Vol. 13, S. 101
[17]: zu Anfang der Dokumentation Grass (1999)
[18]: Prof. Schallenberg in: Die Versuchbarkeit des Menschen, 48'
[19]: 1836, Burnett, The Magazine of Botany & Gardening, Vol. 2, S. 49


Anmerkungen
mitunter: mit darunter (fallend)
so ohne: auf diese Weise ohne
salisfaktionieren: salis := salvus (gesund) + satis (genug)
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen